SCHWARZ-WEIß-FOTOGRAFIE

Die Kunst der Schwarz-Weiß-Fotografie mit langer Belichtungszeit

Entdecke, wo, wann und wie der Langzeitfotograf Stephen McNally seine faszinierenden monochromen Landschaften einfängt.
Ein Schwarz-Weiß-Bild der Ruinen eines Gebäudes, aufgenommen mit einer langen Belichtungszeit, um die Wolken am Himmel zu verwischen.

Stephen McNally ist ein Meister langer Belichtungszeiten in der Schwarz-Weiß-Fotografie, der seine Werke schon in zahlreichen Ausstellungen gezeigt hat, während seine Vorliebe für dieses Genre im Laufe der Jahre noch gewachsen ist. Da er als Friseur arbeitet, bringt ihn die Fotografie dazu, nach draußen zu gehen, neue Orte aufzusuchen und vertraute Plätze mit anderen Augen zu sehen, was ihm viel Spaß macht.


Viele wählen die Schwarz-Weiß-Fotografie, weil sie durch den Kontrast und den Farbton die Dramatik verstärkt. Die fehlende Farbe führt dazu, dass man ein Foto anders betrachtet und sich auf Bildkomposition, Motiv und Form konzentriert. Die Kombination von Schwarz-Weiß und Langzeitbelichtung sorgt für eine zusätzliche Ebene der Faszination. Stephen sagt dazu: „Die Langzeitbelichtungsfotografie schafft eine ätherische Welt, die das Auge nicht sehen, die Kamera aber so einfangen kann.“

Hier erfahren wir, wie sich Stephens Arbeit in Bezug auf Verfahren und Ausrüstung entwickelt hat – und warum er so begeistert von dieser Technik ist.

Warum schwarz-weiße Langzeitbelichtung?

Baumstümpfe und ihre Wurzeln ragen in einer ätherischen Landschaft aus dem Wasser.

„Ich bin nach Blakemere Moss in Delamere in England gefahren, um diese Baumstümpfe im See zu fotografieren – die Forstbehörde hatte die Bäume gefällt, um das natürliche Gewässer wieder herzustellen“, sagt der Fotograf Stephen McNally zu diesem Bild. „Die gefällten Baumstümpfe ergeben ein hervorragendes abstraktes und minimalistisches Bild, wenn sie mit einer Langzeitbelichtung aufgenommen werden, die das Motiv isoliert. Durch die lange Belichtungszeit wird die Wasseroberfläche geglättet, so dass sie wie eine Eisfläche aussieht.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 24-105mm f/4 L IS USM Objektiv (mittlerweile ersetzt durch das Nachfolgemodell Canon EF 24-105mm f/4 L IS II USM) bei 40mm, 7,3 Sek., F11 und ISO 100. © Stephen McNally

Ein heruntergekommenes Bootshaus mit Wolken, die darüber zu schweben scheinen.

Stephen nahm dieses Foto eines längst vergessenen Bootshauses während eines Besuchs in Anglesey in Wales auf. „Als ich dieses Bootshaus sah, haben mich die Maserung und die Details an den Türen sowie der Kontrast zu dem sehr dunklen Seetang am Boden fasziniert. Hier gibt so viele Grautöne – das konnte ich mir mit dem Weiß in den Wolken darüber sehr gut vorstellen“, sagt er. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 16-35mm f/4 L IS USM Objektiv bei 16mm, 4 Sek., F7.1 und ISO 100. © Stephen McNally

Stephen begann damit, beliebte Motive wie Meereslandschaften bei Sonnenuntergang und Sonnenaufgang zu fotografieren, entschied sich dann aber für etwas, das er als größere Herausforderung empfand. „Es wurde einfach langweilig, das zu tun, was alle taten. Ich wollte mich selbst herausfordern und mehr mit der Kamera machen“, erklärt er.

Davon abgesehen, dass man ein surreales Element mit in das Foto bringt, besteht ein großer Teil des Reizes von Langzeitbelichtungen darin, dass man nicht weiß, wie das Bild aussehen wird, bis man den Auslöser drückt und auf das Display schaut. Wenn der Verschluss der Kamera über einen längeren Zeitraum geöffnet ist, wird eine Bewegungsspur aufgenommen, die von sich natürlich bewegenden Objekten wie Wasser, Wolken oder sogar Menschen erzeugt wird. Dieser Teil des Bildes steht im Kontrast zu den unbewegten Motiven in der Szene, die gestochen scharf bleiben.

Oder wie Stephen sagt: „Der ätherische Look dieser Fotos zieht mich an. Bei der Langzeitbelichtung wirkt das Meer glatter, auch wenn man sonst riesige Wellen sieht, die sich auf und ab bewegen. All das kann man in einem Foto mit Langzeitbelichtung festhalten – das ist der Zauber daran.“

Ideale Standorte

Ein einzelner Baum ist vor einem helleren Hintergrund scharf abgebildet, während die Wolken darüber in Bewegung sind.

Der Erfolg eines Schwarz-Weiß-Fotos hängt nach Stephens Meinung vor allem von der Vielfalt der Schattierungen ab. „Bei einem Schwarz-Weiß-Foto arbeite ich nach folgender Methode: Ich habe reines Weiß und reines Schwarz und dann ergänze ich verschiedene Schattierungen und Körnungen. In der Bearbeitungssoftware zeigen mir die Zahlen von 1-12 am unteren Rand alle Schattierungen an. Wenn ich alle 12 habe, ist es eine perfekte Schwarz-Weiß-Aufnahme.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 16-35mm f/4 L IS USM Objektiv bei 20mm, 30 Sek., F11 und ISO 100. © Stephen McNally

Die Ruine eines alten Bauernhauses, mit Bäumen und einem Feld im Hintergrund und Wolken, die sich darüber bewegen.

„Mache immer eine Testaufnahme, um zu sehen, was das Histogramm anzeigt. Das gibt dir eine gute Ausgangsposition, um die Belichtungszeit einzustellen“, empfiehlt Stephen. „Ich habe meine Blinker [Über-/Unterbelichtungswarnungen] eingeschaltet, damit ich sehen kann, wann die Spitzlichter zu hell werden. Wenn du das Foto optimal belichtest, kannst du sicher sein, dass du so viele Details wie möglich erfasst hast. Sind die hellen Bereiche überbelichtet, kann man auch keine Details mehr herstellen.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 16-35mm f/4 L IS USM Objektiv bei 16mm, 38 Sek., F11 und ISO 100. © Stephen McNally

Stephen kehrt immer wieder an dieselben Orte im Nordwesten Englands zurück. Er beobachtet gerne, wie sich seine Lieblingsbäume im Laufe der Jahreszeiten verändern. Wenn er an einen neuen Ort kommt, erkundet er zuerst die Landschaft und notiert sich die Orte, an die er zurückkehren möchte.

Wenn du Meereslandschaften fotografierst, „musst du die Gezeiten kennen“, rät er. „Normalerweise fotografiere ich bei ablaufender Flut. Wenn du bei auflaufender Flut fotografierst, wirst du feststellen, dass sich deine Kamera während der Belichtung bewegt, so dass deine Bilder nicht scharf werden. Bei ablaufender Flut ist es viel ruhiger.

Stephen fotografiert am liebsten im Herbst, da es besser ist, einen bedeckten oder sogar bewölkten Tag zu haben, um eine Langzeitbelichtung des Himmels aufzunehmen, da dann natürlich mehr Licht in die Kamera fällt. „Ich fotografiere nie mitten im Sommer, weil ich dann um 2 Uhr nachts aufbrechen müsste, also fange ich normalerweise im September an, wenn die Sonne um 6 Uhr aufgeht. Ich finde heraus, wann an meinen Standorten die Sonne aufgeht und wo das Licht hinfällt. Wenn es trüb und teilweise bewölkt ist, weiß ich, dass ich damit arbeiten kann“, erklärt er. Er beginnt mit einem Blick auf das Histogramm seiner Kamera, um das verfügbare Licht und die zur Verfügung stehende Zeit zu ermitteln.

Stephens Fotos strahlen eine melancholische Atmosphäre aus, die zum Teil durch das Thema bedingt ist. Er konzentriert sich auf Industriedenkmäler oder verlassene Gebäude – vernachlässigte Orte, die einst voller Leben waren. „Es zieht mich zu den alten Gebäuden“, sagt er. „Als ich vor kurzem in Anglesey in Wales war, kam ich zufällig an diesem alten Bauernhaus (siehe rechtes Bild oben) vorbei, und ich dachte: Wie lange ist dieser Hof wohl schon verlassen? Und warum mussten sie ihn aufgeben? Wo sind die Leute, die dort gelebt und gearbeitet haben?“

Diese Relikte der Vergangenheit eignen sich auch hervorragend für Schwarz-Weiß-Aufnahmen. „Bei der Schwarz-Weiß-Fotografie steht die Bildkomposition im Mittelpunkt, sie muss stark sein“, fügt er hinzu.

Ausrüstungs-Favoriten

Die Ruinen eines Gebäudes heben sich von einem hellen Himmel ab, die Wolken verschwimmen in der Bewegung.

Bei der Aufnahme der Ruinen dieser viktorianischen Porzellanfabrik bemerkt Stephen, dass „die Arbeiter kilometerweit hätten laufen müssen, weil es hier sonst gar nichts gibt. Hier wurde Porzellan und Geschirr hergestellt und die Boote kamen hier an, um die Fracht aufzunehmen.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 16-35mm f/4 L IS USM Objektiv bei 16mm, 86 Sek., F11 und ISO 100. © Stephen McNally

Ein Erdhügel am Rande einer Klippe, mit dem ruhigen Meer im Hintergrund und Wolken, die sich darüber bewegen.

Wenn das Wetter und die Lichtverhältnisse stimmen, sollte man so viele Aufnahmen wie möglich machen. „Die Bewegung der Wolken oder des Wassers ist schwer vorhersehbar – das kann aber über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Ich habe über 100 Aufnahmen in Anglesey gemacht, aber nur 20 bearbeitet, den Rest habe ich gelöscht“, sagt Stephen. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 16-35mm f/4 L IS USM Objektiv bei 16mm, 55 Sek., F11 und ISO 160. © Stephen McNally

Eine bessere Kamera ermöglichte es Stephen, seinen Prozess anzupassen. Angefangen hat er mit einer Canon EOS 450D (inzwischen abgelöst durch die Canon EOS 850D), bevor er auf eine Canon EOS 60D (inzwischen abgelöst durch die Canon EOS 90D) und zuletzt auf die Canon EOS R6 umstieg. Trotz des Umstiegs auf eine spiegellose Kamera kann Stephen mit dem Canon EF-EOS R Adapter seine bevorzugten EF Objektive ohne Qualitätseinbußen weiter verwenden.

„Ich liebe den Touchscreen der Canon EOS R6, er ist so intuitiv. Man muss nur den Bildschirm berühren, um die Blende oder den ISO-Wert zu ändern“, sagt er.

Stephen fotografiert oft im Modus Langzeitbelichtung [Bulb], der es ihm ermöglicht, den Verschluss so lange offen zu halten, wie er den Finger auf dem Auslöser hält. Mit einem Kabelauslöser kannst du Verwacklungen vermeiden, die sonst durch das Festhalten des Auslösers entstehen. „Der Bulb-Modus ist unverzichtbar, um den Verschluss bei Aufnahmen bei Dämmerung oder mit einem 10- oder 16-Stufen-ND-Filter lange offen zu halten“, sagt er.

Um sich die Zeit zu vertreiben, nimmt Stephen häufig mehrere Kameras mit auf ein Shooting. Wenn er mit seiner Canon EOS R6 eine 20-minütige Belichtung macht, kann er eine andere Kamera aus einem anderen Winkel aufstellen und ist so während der Wartezeit beschäftigt.

Das letzte Werkzeug in Stephens Ausrüstung ist seine Bearbeitungssoftware. Er nimmt in RAW und in Farbe auf, so dass er bei der Bearbeitung mehr Informationen zur Verfügung hat. Anschließend wandelt er sein Bild in Schwarz-Weiß um, bevor er es in einer Software wie Adobe Photoshop oder dem kostenlosenCanon Canon Digital Photo Professional (DPP) bearbeitet. „Ich passe die Ebenen und Kurven an und füge einige Verläufe hinzu. Wenn ich länger als 10 Minuten an einer Datei arbeite, wird sie gelöscht. Ich möchte es vermeiden, zu viel zu bearbeiten, also versuche ich, es bereits mit der Kamera richtig zu machen“, erklärt er.

Die perfekte Aufnahme erhalten

Eine Hummerreuse im Vordergrund vor einer Landschaft – das Wasser liegt still da und die Wolken im Hintergrund zeigen die Bewegung.

Die Natur bietet nicht immer eine perfekte Bildkomposition. Daher empfiehlt Stephen, auch mal einzugreifen, um das Bild ausgewogener zu machen. „Die Hummerreuse befand sich ursprünglich etwas mehr an der Seite. Ich habe sie einfach näher in die Mitte gerückt. Ich versuche immer, irgendetwas im Vordergrund zu haben wie z.B. ein Stück Treibholz, und ich mag es, ziemlich abstrakte Szenen zu schaffen.“ Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 16-35mm f/4 L IS USM Objektiv bei 16mm, 71 Sek., F11 und ISO 100. © Stephen McNally

Baumwurzeln ragen aus dem ruhigen, hellen Wasser und verleihen dem Bild eine skulpturartige Wirkung.

Für Stephen wirkt das Fotografieren seiner Langzeitbelichtungen bei wenig Licht enorm beruhigend. „Während man auf das perfekte Licht wartet, hat man das Gefühl, dass die Welt steht. Niemand sonst ist hier. Es scheint, als hätte man die Welt ganz für sich allein“, schwärmt er. Aufgenommen mit einer Canon EOS R6 und einem Canon EF-EOS R Adapter mit einem Canon EF 24-105mm f/4 L IS USM Objektiv bei 80mm, 36 Sek., F11 und ISO 100. © Stephen McNally

Gute Bilder bei wenig Licht und langer Belichtung zu machen, ist eine echte Herausforderung. „In neun von zehn Fällen ist es kein Erfolg“, erklärt Stephen. „Wer dieses Genre erkunden möchte, sollte am besten experimentieren und bei Tagesanbruch losziehen“, fügt er hinzu.

„Einen ND-Filter mit 10 Stufen oder mehr ist nützlich. Alternativ kannst du auch bei wenig Licht, kurz vor der Dämmerung, fotografieren. Du kannst vor der Morgendämmerung Belichtungszeiten von bis zu 50 Sekunden einsetzen, was zu hervorragenden Ergebnissen führt. Ich verwende auch ND-Filter mit umgekehrtem Farbverlauf, wenn es am Horizont noch dunkler ist, da dies der hellste Punkt ist, wenn die Sonne aufgeht.“

Suche dir einen Platz, recherchiere den Standort, nutze den frühen Morgen und probiere Stephens Technik der Langzeitbelichtung für Schwarz-Weiß-Fotos aus. Stephens letzter Ratschlag ist folgender: „Versuche, so viele Informationen wie möglich einzubeziehen und setze sie dann in die Praxis um. Wenn du dich nicht anstrengst, wirst du dein Ziel auch nicht erreichen.“



Geschrieben von Natalya Paul

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