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„Das Ausmaß der Korruption kann einen zur Verzweiflung bringen“: Brent Stirtons harte Fakten über den Handel mit dem Horn
Die Überreste eines Spitzmaulnashorns liegen zusammengesunken im Schlamm. Es ist seit 24 Stunden tot. Sein majestätisches Horn wurde von Wilderern abgehackt, sodass das rosafarbene Gewebe darunter sichtbar ist. „Memorial to a Species“ – die Aufnahme aus dem südafrikanischen Hluhluwe-Imfolozi-Park, die Brent Stirton den Titel „Wildlife Photographer of the Year 2017“ sicherte, ist erschütternd in seiner Einfachheit. An der Geschichte dahinter jedoch ist nichts Einfaches.
Weltweit leben nicht einmal mehr 30.000 Nashörner, der Großteil davon in Südafrika. Bei der Arbeit für eine Sonderreportage für National Geographic mit Journalist Bryan Christy erlebte Brent ein niederträchtiges Geschäft mit wenigen Gewinnern, vielen Verlierern und Korruption in globalem Ausmaß.
Dies war keineswegs Neuland für Brent. Das erste Mal behandelte er im Jahr 2011 den Handel mit Rhinozeroshorn – hier arbeitete er ebenfalls für National Geographic. Während dieses Projektes lag der Fokus auf der Nachfrage nach dem Horn in China und Vietnam. Dazu berichtete er über Anbieter traditioneller Medizin sowie deren Kunden. Das Horn von Rhinozerossen wird in diesen Ländern schon seit 2.000 Jahren zur Behandlung einer ganzen Reihe von Leiden verwendet – trotz der Tatsache, dass ein wissenschaftlicher Beweis für die Wirksamkeit fehlt. Seit einiger Zeit nun herrscht aufgrund des steigenden wirtschaftlichen Wohlstands auch auf diesem Markt immer mehr Nachfrage. Fünf Jahre nach dem ersten Auftrag besuchten Brent und Bryan die Schauplätze der Geschichte erneut – mittlerweile ist Rhinozeroshorn wertvoller als Gold, und südafrikanische Rhinozeros-Züchter fordern eine Legalisierung des Handels.
Über einen Zeitraum von sechs Monaten hinweg stellt die umfangreiche und schonungslose Reportage „Rhino Wars“ alle Hauptakteure vor. Die Aufnahmen erfolgten hier größtenteils in Südafrika und Mosambik. Wir treffen verarmte Wilderer, bestechliche Rancher, Polizisten, die sich bemühen, Informationen zu sammeln und die Wilderer zu fassen. Weiter geht es mit engagierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Tierärzten, die neue Behandlungen für Rhinozerosse entwickeln, die den gewaltsamen Verlust ihres Horns überlebten – und dem Ganzen gegenüber: die Personen, die vehement für die Legalisierung kämpfen.
Einer davon ist John Hume, ein Geschäftsmann, der sein Vermögen mit Teilzeitnutzungsrechten machte und nun mit 1.400 Nashörnern auf seiner Ranch der weltweit größte Rhinozeroszüchter ist. Der Schutz seiner Nashörner gegen Wilderer kostet ihn monatlich 200.000 US-Dollar. Humes eigens angestellter Tierarzt führt die Aufsicht über die legale Kürzung der Hörner. Solange mindestens 110 mm übrig bleiben, wird das Gewebe am Ansatz nicht beschädigt, und das Horn wächst nach. Gerüchten zufolge besitzt er Horn im Wert von über 40 Millionen US-Dollar an den asiatischen Märkten. Obwohl Brent ihn nicht als „schlechten Menschen“ bezeichnen würde, erkennt er Humes persönliche Interessen: „Ich glaube nicht, dass die Zukunft dieser Art von den Motiven dieses Mannes abhängig sein sollte.“ Ein weiterer Rhinozerosfarmer, Dawie Groenewald, ist mehrfach angeklagt wegen illegaler Nashornjagd und würde bei einer Legalisierung von Rhinozeroshorn enorm profitieren.
Ich bin kein Idealist – ich reagiere nur auf das, was ich vor mir sehe.
Beide Männer stimmten einem Treffen mit Brent und Bryan sofort zu, und nutzten die Gelegenheit, ihre Argumente darzulegen – die nimmt Brent ihnen jedoch nicht ab. „Solange man mir nicht einen Mechanismus zeigen kann, der frei von Korruption ist und keine Schlupflöcher hat, die ausgenutzt werden können, bin ich skeptisch. Ich bin kein Idealist oder Ökofreak – ich reagiere nur auf das, was ich vor mir sehe.“ Seiner Meinung nach wäre ein effektiverer Ansatz zur Bekämpfung des Handels mit Rhinozeroshorn, den Markt in Asien aufzuklären, der für die Nachfrage sorgt.
Vietnam und China sind die zwei größten Schwarzmärkte für Rhinozeroshorn, da man dort noch immer glaubt, das proteinhaltige Material habe medizinische Eigenschaften. „Das [Horn] hat keine medizinischen Eigenschaften“, erklärt Brent. „Es besteht aus Keratin, einem schwach alkalischen Material. Da gibt es eine Gruppe von Leuten, die einem naiven Publikum diesen Unsinn verkaufen. Wenn du ein schwer krankes Kind hast, schon alles ausprobiert hast und nichts funktioniert, und dann jemand kommt und sagt 'Probier doch mal Rhinozeroshorn', gibst du all dein Geld aus, verpfändest dein Haus, du tust einfach alles, um deinem Kind dieses Produkt zu beschaffen. Dann nimmt es dein Kind – und es passiert einfach nichts. Was für eine Art von Mensch macht mit so etwas Geschäfte?“
Die größte Herausforderung bei „Rhino Wars“ war es, nicht nur an der Oberfläche dieser komplexen Geschichte zu kratzen. Bei der Dokumentation der Arbeit von NGOs war Brent äußerst gründlich. „Ein großer Teil des Geldes wird für Tierschutz in Südafrika verwendet, und nicht alles unbedingt an guten Orten – man muss also wirklich kritisch hinterfragen, mit wem man seine Zeit verbringt“, erklärt er. „Viele Fotografen lassen sich für ihre Geschichten Zeit. Ich nicht – ich bin oft beschäftigt, es herrscht also schon ein gewisser Druck“, sagt Brent. „Das Fotografieren war der einfache Teil“, meint er, als die langwierige Arbeit hinter den Kulissen abgeschlossen war: Zunächst musste er Beziehungen aufbauen und sich einen Überblick über das verschaffen, was vor sich ging. „In erster Linie bin ich Journalist, erst danach Fotograf. Ich muss diese Fakten in Bilder verwandeln, in denen man das Problem sehen kann.“
Neunzig Prozent der Fotos wurden mit der Canon EOS-1D X Mark II aufgenommen. Für Portraits verwendete Brent die EOS 5DS R. „Ich mag die 5DS R wegen der Details und der Dreidimensionalität, die man damit in den Aufnahmen bekommt. Draußen im Busch habe ich nicht immer die Möglichkeit, meine Ausrüstung aufzuladen. Außerdem können die Verhältnisse einer Kamera schon ziemlich zusetzen. Aber die 1D X II ist wie ein Panzer und dazu auch noch gut bei schlechten Lichtverhältnissen. Das ist wirklich sehr hilfreich für mich. Ich verwende die Objektive EF 35mm f/1.4L II USM und EF 24-70mm f/2.8L II USM. Hin und wieder verwende ich auch ein längeres Objektiv – aber ich mag es lieber, nah an meinem Motiv zu sein.“
Dennoch ist es paradoxerweise gerade Brents Fähigkeit, sich etwas zurückzuziehen und die ganze Situation aus allen Blickwinkeln zu betrachten, die diesen Bildern ihre Tiefe verleiht. „Es geht nicht nur um Wilderei – da steckt viel mehr dahinter“, meint er. „Da kommen Händler zu einem neuen Ranger oder einem jungen Mann im Park und bieten ihm 10.000 Rand – also in etwa das, was sie sonst in vier bis sechs Monaten verdienen – wenn er ihnen verrät, wo sich die Nashörner aufhalten. Dann gibt es [Dorfbewohner in Mosambik], einem der ärmsten Länder der Welt, die direkt neben dem Kruger-Nationalpark leben – dem größten Schutzgebiet für Nashörner überhaupt. Das ist eine höchst explosive Mischung.“
Eine einfache Lösung gibt es nicht: „Das Problem ist, dass das alles bis ganz nach oben geht – das Ausmaß der Korruption kann einen zur Verzweiflung bringen. Aber es gibt auch gute Leute, die sich wirklich um diese Tiere sorgen. Meine Aufgabe ist es, ihnen zu helfen“, sagt er. Und dabei gilt es, keine Zeit zu verschwenden. „Wir stehen am Anfang einer Phase, in der die Tierwelt so stark schrumpft, dass wir gewissermaßen einen Zaun darum errichten können. Und dann wird es Wildtiere, wie wir sie kennen, nicht mehr geben – wilde Tiere in freier Natur. Das Problem beginnt schon in der Führungsriege. Entweder setzen wir Menschen in diese Positionen, die sich genug darum sorgen und mächtig genug sind, etwas dagegen zu unternehmen – oder es wird einfach so weitergehen.“
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