Was unterscheidet einen Porträtfotografen von einem Dokumentarfotografen? Auf den ersten Blick scheint dies offensichtlich zu sein, aber in Wahrheit sind die Grenzen zwischen den beiden Genres oft verschwommen. Für Dokumentationen werden oft Personen fotografiert, während das Ziel von vielen Porträtfotografen ist, die Geschichte eines Motivs zu erzählen.
Canon Botschafterin und Fotojournalistin Ilvy Njiokiktjien wollte diesen Schnittpunkt genauer untersuchen und hat sich dazu mit drei Fotografen aus der Dokumentar- und Porträtfotografie getroffen: Laura El-Tantawy, Dokumentarfotografin und Canon Botschafterin, die in London und Kairo arbeitet; Canon Botschafterin Helen Bartlett, Familienfotografin aus London, deren Bilder oftmals Dokumentareinflüsse haben; und James Musselwhite, ein Studio-Porträtfotograf, der ebenfalls im Vereinigten Königreich lebt.
Gemeinsam überschreiten sie die Grenzen der beiden Genres, sodass sie perfekt miteinander über Gemeinsamkeiten und Unterschiede sprechen können. Sie alle nutzen das EOS R System, sodass sie vergleichen können, wie sie mit der Canon Technologie in jedem Genre arbeiten.
Das passiert also, wenn Dokumentarfotografie auf Porträt trifft.
AUSRÜSTUNG
Im Gespräch: Dokumentarfotografie trifft Porträt
Das gesamte Gespräch findest du in dieser Episode des Canon Podcasts „Shutter Stories“:
Njiokiktjien: Jetzt eine Frage für euch drei. Was sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Dokumentarfotografie und Porträts?
El-Tantawy: Es gibt tatsächlich einige Überschneidungen bei dem, was alle von uns machen. Unsere Ansätze sind wahrscheinlich ziemlich unterschiedlich, aber jeder von uns nutzt Aspekte der Dokumentarfotografie.
Ich sehe mich selbst als jemand, der Menschen und ihre Geschichten dokumentiert, also ist die Schnittstelle, dass beide [Genres] Geschichten von Menschen erzählen. Ich gebe oft Anweisungen, halte aber nach den Momenten dazwischen Ausschau, wenn Menschen woanders hinschauen, als ich ihnen gesagt habe. Näher komme ich bei Porträts nicht an die Dokumentarfotografie. Ich glaube, der Unterschied ist, dass du bei Porträts mehr Kontrolle hast, bei der Dokumentarfotografie weniger.
Musselwhite: Ich denke, Porträtfotografie ist eine Möglichkeit der Dokumentation, während die Dokumentarfotografie von Personen eine Form des Porträts ist. Wenn ich mit einer Familie im Studio bin und sie auffordere, „Käsekuchen“ zu sagen, dann habe ich meinen Job nicht richtig gemacht. Man braucht eine Situation, in der Menschen sich natürlich verhalten, und genau dann machst du diese Porträts im Dokumentarstil, was viel ansprechender ist.
Aber letztendlich geht es bei Dokumentarfotografie um die Story, die sie antreibt. Die Geschichte führt die Kamera, den Fotografen und alle anderen Elemente.
Bartlett: In der reinen Dokumentarfotografie gibt es sehr strenge Regeln dazu, was als Interaktion oder Anpassung innerhalb einer Szene erlaubt ist und was nicht. Bei einem Familienporträt im Dokumentarstil hingegen gibt es keine bestimmten Regeln. Ich versuche, alles so natürlich wie möglich zu halten, aber wenn es im Hintergrund eine Person gibt, die ablenkt, dann schneide ich sie bei der Nachbearbeitung raus und mache mir deshalb keine Gedanken. Bei reiner Dokumentarfotografie wäre das offensichtlich ein großes Tabu.
Um dich herum gebaut. Für dich.
Ich definiere Dokumentarfotografie als etwas mit weniger Interaktion, wohingegen bei Porträts etwas mehr interagiert wird. Aber letztendlich wechsle ich ständig vom einen zum anderen und wieder zurück und mache mir dabei kaum Gedanken über die einzelnen Formulierungen oder die Abgrenzung zwischen den Aufnahmen.
Njiokiktjien: Ich denke auch, dass es für Kunden, vor allem für Familien ohne Fotografiekenntnisse, nur wichtig ist, wie die Familie aussieht. Nicht, ob es eine Dokumentation oder ein Porträt ist.
Bartlett: Genau.
Njiokiktjien: Lasst ihr euch von anderen Genres der Fotografie inspirieren? Als Fotojournalistin mache ich das tatsächlich ziemlich oft mit der Porträtfotografie.
El-Tantawy: Ja, ich. Aber in den letzten Jahren habe ich an mir selbst gearbeitet und mir nicht mehr so viel Fotografie angeschaut. Ich glaube, dies ist eine Art Schutz meiner eigenen Vision, um diese zu fördern, ohne meine Sichtweise psychologisch von anderen Werken beeinflussen zu lassen. Aber ein Grund war auch, dass wir als Fotografen oftmals das Gefühl haben, dass es nichts Neues gibt, das wir uns anschauen können. Ich wollte also externe Einflüsse ansehen, aus Film, Musik und Theater und dem Leben allgemein.
Musselwhite: Im Einklang mit dem, was Laura sagt, lasse ich mich oft außerhalb der Fotografie inspirieren. Wenn ich in London bin, gehe ich immer in die National Gallery am Trafalgar Square. Du kannst in die Vergangenheit reisen und diese riesigen Gemälde sehen, die so viel Hingabe, Einzelheiten und Geschichte übermitteln.
Bartlett: Mir gefällt die Landschaftsfotografie und ich beziehe gerne die Umgebung in meine Porträtaufnahmen mit ein. Im Moment wird meine Fotografie am meisten von Sportfotografie inspiriert. Sportfotografen beweisen eine außerordentliche Kreativität in Szenarien, die sie nicht beeinflussen können. Das finde ich total interessant und das ist etwas, das ich in meiner eigenen Arbeit berücksichtige.
Njiokiktjien: Sprechen wir über das Canon EOS R System. Mich interessiert, mit welchen Kameras ihr arbeitet.
Bartlett: Ich meine Aufnahmen jetzt mit zwei EOS R5. Meine Standardausrüstung besteht aus dem Canon RF 35mm F1.8 MACRO IS STM und dem RF 50mm F1.2L USM und dann entweder dem RF 85mm F1.2L USM DS oder dem RF 100mm F2.8L MACRO IS USM. Ich benutze ein RF 24-70mm F2.8L IS USM, wenn ich etwas Breiteres benötige, oder wenn ich etwas weniger auffälliger sein möchte und mit einer Kamera und einem Objektiv arbeite. Ich habe auch ein RF 100-500mm F4.5-7.1L IS USM Objektiv, das mehr Distanz bietet.
Musselwhite: Ich mache aktuell Aufnahmen mit der EOS R6. Ich habe einen Adapter, sodass alle meine alten Objektive passen. Aber vor etwa acht Monaten habe ich bei den meisten auf RF-Objektive umgestellt. Mein Arbeitstier ist das Canon RF 24-105mm F4L IS USM. Das nehme ich zu jedem Shooting mit und das Wechseln ist absolut reibungslos. Es hat unsere Arbeit sowohl im Studio als auch vor Ort revolutioniert.
El-Tantawy: Ich habe eine EOS R5. Mein Objektiv der Wahl, wie auch bei James, ist das Canon RF 24-105mm F4L IS USM. Das nutze ich fast immer.
Njiokiktjien: Ich arbeite auch mit der EOS R5 und habe den EF-EOS R Mount Adapter mit Objektiv-Steuerungsring, mit dem ich das Canon EF 35mm f/1.4L II USM, das EF 50mm f/1.2L USM und das EF 24-70mm f/2.8L II USM nutze. Ich finde es gut, dass ich dank der Adapter weiterhin die Objektive verwenden kann, die ich bereits hatte. Ich meine, alles ist so scharf und der Adapterring perfekt. Es funktioniert einfach.
In diesem Video erfährst du mehr über Njiokiktjiens Gedanken zum EOS R System:
Njiokiktjien: Warum habt ihr denn alle das Upgrade auf das EOS R System gemacht, und war das eine große Veränderung für euch?
El-Tantawy: Ich habe vorher mit der Canon EOS 5D Mark III gearbeitet, es war also eine große Veränderung. Die EOS R5 ist viel kleiner, viel leichter. Ich liebe sie. Ich war schon dabei, auf Video umzustellen, und die EOS R5 scheint [für Video] einfach natürlicher eingerichtet zu sein. Ich mache mir jetzt viel weniger Gedanken darüber, wie ich als nächstes die Einstellungen auf meiner Kamera ändern kann, wenn ich gerade mitten im Shooting bin, es ist ganz intuitiv.
Bartlett: Als die EOS R5 auf den Markt kam, habe ich sie zwei Wochen lang genutzt. Danach gab es kein Zurück mehr. Die Kamera ist so instinktiv in ihrer Anwendung und es gibt so viele Sachen, die uns Fotografen dabei unterstützen, erfinderisch, kreativ und verspielt zu sein. Für mich ist der elektronische Sucher der entscheidende Vorteil, da ich komplett monochrom arbeite. Durch den monochromen Sucher kann ich sehen, wie sich die Farbtöne und das Licht während meiner Arbeit ändern und ich kann mutiger und schneller sein, weil ich weiß, wie es aussehen wird.
Musselwhite: Ich habe mich für die EOS R6 entschieden, und finde sie wie alle anderen auch sehr intuitiv. Ich kann mich noch an meine erste Studioaufnahme erinnern. Eine Familie hatte einen Zwergschnauzer mitgebracht und ich habe den Autofokus geliebt, vor allem mit den RF-Objektiven. So superschnell und gestochen scharf. Ich hatte so etwas noch nie zuvor erlebt. Du kannst einstellen, ob die Gesichtserkennung Menschen oder Tiere erkennen soll. Wenn der Hund im Fokus sein sollte, hat das jedes Mal geklappt.
Njiokiktjien: Und bei der Dokumentarfotografie ist der leise Auslöser natürlich super praktisch.
Njiokiktjien: Meine letzte Frage. Wenn du einen Tag lang Jobs tauschen könntest, mit wem würdest du das machen und welche Lernerfahrungen wünschst du dir davon?
El-Tantawy: Ich würde mit Helen tauschen, da ich ihre Familienbilder liebe. Ich finde es immer schwierig, Bilder von meiner eigenen Familie zu machen. Sie zweifeln oft daran, dass ich wirklich Fotografin bin, weil die Bilder von ihnen nicht zu meinen besten Werken gehören. In diesen Fotos sind meine Familienmitglieder einfach nie entspannt oder sie selbst. Ich würde also Bilder von meiner Familie machen wollen, die ihren Charakter zeigen und ihre Lebensfreude festhalten.
Bartlett: Ich liebe es, wie Laura mit ihren Werken nicht nur Menschen und ihren Platz auf der Welt einfängt, sondern auch den breiteren sozialen Kontext. Mir gefällt die visuelle Verbindung zwischen den Menschen in ihren Projekten und den fotografischen Techniken und der abstrakten Natur der Dinge. Aber Ilvy, ich liebe auch deine Langzeitprojekte, weil ich so etwas noch nie gemacht habe. Ich würde natürlich auch sehr viel von James lernen. Ich kann zum Beispiel nicht mit Blitz arbeiten, das wäre also ein guter Ausgangspunkt.
Musselwhite: Ich bin mir unschlüssig. Von Helen würde ich lernen, wie ich ein Familienfoto aufnehmen kann, das jedem gefällt, weil mein Schwerpunkt Familienfotografie ist. Und Laura hat den Mut, mit ihren Fähigkeiten über soziale und politische Probleme zu sprechen. Ich verstehe meinen Platz auf der Welt immer noch nicht so ganz und traue mir nicht zu, wirklich Farbe zu bekennen. Das würde ich von den beiden lernen.
Njiokiktjien: Wie wunderbar. Ich hätte auch Probleme, mich zu entscheiden. Aber mit Blitz und Beleuchtung kenne ich mich am wenigsten aus. Ich würde daher mit dir tauschen, James, um alles auszuprobieren. Ich sehe mir deine Bilder an und weiß überhaupt nicht, wie du sie aufnimmst.
Musselwhite: Ich auch nicht.
Diese vier Fotografen sind Profis auf ihrem Gebiet, aber bei diesem Gespräch über ihr Handwerk kommt zum Vorschein, wie viele Überschneidungen es bei beiden Arten der Fotografie gibt. Es zeigt sich auch, wie die richtige Ausrüstung entscheidend sein kann, um kreative Visionen umzusetzen und Inhalte aufzunehmen, die einem am Herzen liegen.
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