„Die Auszeichnung hat alles verändert“ – lerne die Empfängerinnen des Canon Female Fotojournalistin Grant kennen

Sechs Dokumentarfotografinnen erzählen, warum die Auszeichnung einen entscheidenden Moment in ihrer Karriere darstellte.
Ein alter, weißer Mann umarmt seine Frau neben einem Bus im Donbas, Ukraine.

Die britisch-schwedische Fotojournalistin Anastasia Taylor-Lind gewann die Auszeichnung „Canon Female Photojournalist Grant 2023“ für ihr laufendes Projekt „5K from the Frontline“, in dessen Rahmen sie das Leben im seit 2014 besetzten Donezbecken dokumentiert. © Anastasia Taylor-Lind

Beim jährlichen Festival „Visa Pour l'Image“ wird der im Jahr 2000 eingeführte Canon Female Fotojournalist Grant verliehen. Das mit 8.000 € dotierte Stipendium wird einer „herausragenden Fotografin für ihren Beitrag zum Fotojournalismus“ verliehen und soll entweder den Abschluss eines bestehenden Projekts unterstützen oder die Umsetzung eines neuen Projekts erleichtern, das dann im darauf folgenden Jahr beim Festival ausgestellt wird.

Für die Empfängerinnen kann das Stipendium das Leben verändern, sowohl aufgrund der nicht unbedeutenden finanziellen Unterstützung als auch durch die Aufmerksamkeit, die der Arbeit der Fotografin dadurch zuteil wird. So haben gleich mehrere frühere Empfängerinnen später World Press Photo Awards und Pulitzer-Preise erhalten. Andere wurden zu Markenbotschafterinnen und arbeiten nun mit führenden internationalen Zeitschriften zusammen.

2023 fiel die Wahl der Jury – bestehend aus Journalisten und Redakteuren von The New York Times, Le Monde, Conde Nast und anderen – auf die britisch-schwedische Fotojournalistin Anastasia Taylor-Lind, die für ihr laufendes Projekt „5K from the Frontline“ ausgezeichnet wurde. Taylor-Lind fotografiert seit 2014 Gemeinden an der Front im östlichen Donezbecken in der Ukraine. Sie fotografiert immer wieder dieselben Familien, die mit dem Einmarsch Russlands zu kämpfen haben. Ihre Bilder zeigen den anhaltenden Überlebenswillen und das Aufrechterhalten alltäglicher Routinen trotz des Kriegs.

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„Dieses Stipendium von Canon ist unbezahlbar. Es kam genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagt Sabiha Çimen, Empfängerin des Grant 2020. Çimen gewann den Grant für Ihre laufende Serie „Hafiz: the Guardians of Qur'an. Sie dokumentiert muslimische Mädchen, die versuchen, den gesamten Koran – insgesamt 30 Bücher und 6.236 Verse – nach einer fast 1500 Jahre alten Tradition auswendig zu lernen. „Ich arbeite seit drei Jahren an diesem Projekt und brauche weiterhin Unterstützung, um es abzuschließen“, erklärt Çimen.

Sabiha Çimen, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2020.

Die autodidaktische Dokumentarfotografin Sabiha Çimen aus Istanbul, die hier abgebildet ist, gewann 2020 den Canon Female Photojournalist Grant für die Dokumentation junger muslimischer Mädchen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Koran auswendig zu lernen. © Sabiha Çimen/Magnum Photos

Ein junges Mädchen in traditioneller muslimischer Kleidung dreht sich von der Kamera weg. Sie spielt in einer Koran-Schule der Türkei mit Vögeln in einem gelben Käfig.

Auf diesem Bild des Gewinnerprojekts „Hafiz: the Guardians of Qur'an“ vom Canon Female Photojournalist Grant 2020 von Sabiha Çimen spielt ein junges muslimisches Mädchen mit Vögeln. © Sabiha Çimen/Magnum Photos

Sechs ehemalige Empfängerinnen verraten, was die Auszeichnung für sie bedeutete, und geben Ratschläge für die nächste Generation von Teilnehmerinnen.

Bedeutsame Geschichten bebildern

„Ich hatte keine Zeit zu überlegen, ob ich an diesem Wettbewerb teilnehmen sollte, da ich erst zwei Tage vor Bewerbungsschluss von meinem Bildredakteur davon erfahren habe“, erinnert sich Magali Delporte, die erste Empfängerin des Stipendiums im Jahr 2001 mit ihrem Projekt „Unseen: Sport Without Sight“, das die Leistungen von behinderten Sportlern ins Bild brachte.

„Ich weiß noch, wie ich mir DIN-A3-Kopien aus der Times machte und meine Bewerbung bei meiner Rückkehr aus Frankreich auf der Fähre verfasste“, sagt sie. „Ich habe meine Bewerbung am letzten Tag eingereicht.“

Mit diesem ersten Stipendium konnte die französischen Fotojournalistin fünf Sportprojekte finanzieren. Seitdem wurden ihre Arbeiten in The Financial Times, Le Monde und Le Figaro veröffentlicht.

Magali Delporte, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2001.

Magali Delporte (2001)

Magali Delporte begann ihre Karriere Ende der 90er und gewann 1999 den „Young Photographer of the Year Award“ der Zeitung „The Independent“. Für den Independent arbeitet sie noch immer und darüber hinaus für die Times und das französische Ministerium für Nationale Bildung und Kultur.

„Wenn du ein Projekt auf eigene Faust durchführen willst, solltest du dich um Stipendien und Preise bewerben“, sagt sie. „Das Stipendium bringt nicht nur finanzielle Hilfe, sondern verschafft dir auch mehr Aufmerksamkeit, damit deine Geschichten veröffentlicht werden. Schließlich wollen wir alle nicht, dass unsere Arbeiten auf einer Festplatte versauern.“

Catalina Martin-Chico, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant beim „Visa Pour l'Image Festival 2017“ in Perpignan (Frankreich).

2017 gewann die französisch-spanische Fotojournalistin Catalina Martin-Chico den Canon Female Fotojournalistin Grant für ihre Dokumentation des kolumbianischen Babybooms in Friedenzeiten. © Mazen Saggar

Glück beim neunten Mal

Im Gegensatz zu Delporte, die gleich auf Anhieb gewannen, bewies die französisch-spanische Fotojournalistin Catalina Martin-Chico, dass Beharrlichkeit sich auszahlt: 2017 erhielt sie bei ihrem neunten Versuch das Stipendium für ihre Bilder des Babybooms unter ehemaligen FARC-Rebellinnen in Kolumbien.

„Die Stipendium hat vieles verändert“, erzählt sie. „Es brachte enorme Aufmerksamkeit – nicht nur für mich, sondern auch für eine Geschichte, die viele Zeitschriften nicht veröffentlichen wollten. Zu Beginn nutzte ich mein eigenes Geld, was natürlich nicht reichte. Um die Geschichte nach dem Konflikt zu erzählen, musste ich dorthin zurückkehren. Das Stipendium gab mir die Möglichkeit, genau das zu tun.“

Martin-Chico empfiehlt, eine „klare und genaue“ Bewerbung zu verfassen: „Gehe tief in dich hinein, und vermittle, dass du diese Geschichte unbedingt erzählen willst, dann wirst du überzeugend sein. Du musst nicht viel schreiben, aber du musst erklären, warum genau diese Geschichte wichtig ist.“

Catalina Martin-Chico, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2017.

Catalina Martin-Chico (2017)

Catalina Martin-Chico dokumentiert seit 2007 das Leben im Jemen und Nahen Osten. 2011 gewann sie für ihre Arbeiten über die Proteste im Jemen den „Humanitarian Visa d'or Award“ des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC).

Sie hat die Erfahrung gemacht, dass man sie nach ihrer Auszeichnung als Canon Female Photojournalist des Jahres in einem anderen Licht betrachtete. „Ich konnte mir dadurch in der Branche mehr Respekt verschaffen. Frauen brauchen diese Aufmerksamkeit für ihre starken Arbeiten. Solche Wettbewerbe sind eine gute Gelegenheit, genau das zu tun.“

Nach ihrer Rückkehr nach Kolumbien mit ihrer Canon EOS 5D Mark III und Canon EOS 5D Mark IV belegte Martin-Chico bei den World Press Photo Awards 2019 den zweiten Platz in der Kategorie „Contemporary Issues“, und eines ihrer Bilder wurde für das World Press Photo of the Year nominiert.

Persönliche und professionelle Unterstützung

Claudia Guadarrama erhielt 2005 das Stipendium für ihr langfristiges Projekt „Before the Limit“, das Flüchtlinge dokumentiert, die in der Hoffnung, die USA zu erreichen, Mittelamerika und Mexiko durchqueren.

Neben der praktischen Unterstützung durch das Stipendium freute sie sich sehr über die Anerkennung, die ihr zuteil wurde.

„Ich war und bin immer noch sehr dankbar, dass ich dieses Stipendium erhalten habe“, sagt sie. „Es war eine großartige persönliche und berufliche Unterstützung, vor allem, da ich in einem Land arbeite, in dem deutliche Geschlechtervorurteile und eine gewalttätige und sexistische Kultur vorherrschen, sowie in einer Branche, in der Frauen mit mangelnder Gleichstellung der Geschlechter und dem Fehlen von Möglichkeiten zu kämpfen haben.“

Claudia Guadarrama, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2005.

Claudia Guadarrama (2005)

Die in Mexiko-Stadt lebende Dokumentarfotografin Claudia Guadarrama konzentriert sich in der Regel auf politische und soziale Probleme in Lateinamerika und hat ihre Bilder bereits in The New Yorker, TIME, Le Monde und The Guardian veröffentlicht.

Auch die Empfängerin im Jahr 2019, Anush Babajanyan, freut sich über die Unterstützung, die ihr durch das Stipendium gewährt wird. Als Mitglied von VII Photo fängt die armenische Fotografin Geschichten rund um den Südkaukasus mit einer Canon EOS 5D Mark IV mit Canon EF 24mm f/1.4L II USM, Canon EF 35mm f/1.4L II USM und Canon EF 50mm f/1.2L USM Objektiven ein. Sie ermuntert auch andere dazu, sich zu bewerben, selbst wenn sie ängstlich sind.

„Die Anerkennung hat mich berührt, aber der wichtigste Aspekt war die Unterstützung“, sagt Babajanyan. „Die Freiheit, weiterarbeiten zu können, ist alles, was eine Geschichtenerzählerin wirklich braucht. Es ist eine fantastische Chance, und es dauert nicht lange, sich zu bewerben. Wirf einfach deine Zweifel über Bord, und reiche deine beste Arbeit ein.“

Anush Babajanyan, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2019.

Anush Babajanyan (2019)

Anush Babajanyan konzentriert sich auf soziale Themen rund um Frauen, Minderheiten, die Umwelt und die Folgen des Konflikts im Südkaukasus. Sie arbeitet mit UNICEF zusammen, und ihre Fotos waren in der New York Times und der Washington Post zu sehen.
Drei Cheerleader, die mitten auf der Straße auftreten. Fotografiert von Laura Morton.

Ein Bild aus Laura Mortons Projekt University Avenue, das die Stanford Cheerleading Squad bei der Probe für die 97. jährlichen May Fete Parade zeigt. Aufgenommen mit einer Canon EOS R mit einem Canon RF 35mm F1.8 MACRO IS STM Objektiv, Verschlusszeit 1/1250 Sek., Blende 1:5,6 und ISO 200. © Laura Morton

Vier Tänzer in traditioneller mexikanischer Kleidung treten mitten auf der Straße auf. Fotografiert von Laura Morton.

Tänzer bei der 34. jährlichen Cinco de Mayo Parade im benachbarten East Palo Alto. Trotz der Wohlstandsschere zwischen den angrenzenden Gemeinden entdeckte Morton, dass die Bewohner viel gemeinsam hatten. Aufgenommen mit einer Canon EOS R mit einem Canon RF 35 mm F1.8 MACRO IS STM Objektiv, Verschlusszeit 1/1000 Sek., Blende 1:5,6 und ISO 160. © Laura Morton

Ein entscheidender Moment

Im Gegensatz zu vielen anderen Empfängerinnen nutzte die amerikanische Dokumentarfotografin und Gewinnerin des Jahres 2018 Laura Morton das Stipendium, um eine neue Geschichte zu erzählen. Ihr Projekt University Avenue erkundete zwei benachbarte Gemeinden in der kalifornischen Bay Area, die durch eine gewaltige Wohlstandsschere voneinander getrennt sind.

„Die Idee dazu hatte ich schon eine Weile, aber ich wusste, dass es ein kompliziertes Projekt ist, das lange dauern würde“, berichtet Morton, die einen Großteil von University Avenue mit einer Canon EOS R mit einem Canon RF 35mm F1.8 MACRO IS STM Objektiv fotografierte. „Das Stipendium gab mir die finanzielle Unabhängigkeit, um mir diese Zeit zu nehmen. Zeit zum Arbeiten ist für Dokumentarfotografen ein Geschenk, und ein Stipendium erlaubt dir, tiefere und subtilere Geschichten zu entwickeln.“

„Für die Bewerbung musst du entscheiden, was an deiner Stimme und deiner Geschichte einzigartig ist. Das ist nicht einfach, aber einzigartige Ideen können dich weit bringen.“

Laura Morton, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2018. Fotografiert von Didier Cameau.

Laura Morton (2018)

Die in San Francisco lebende Dokumentarfotografin Laura Morton konzentriert sich auf die Themen Wirtschaft und Wohlstand. Ihre Bilder wurden bereits in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt, darunter National Geographic, Marie Claire, Newsweek, The Wall Street Journal und The New York Times.

Axelle de Russé wurde 2007 für ihre Fotogeschichte über Konkubinen in China als Canon Female Photojournalist ausgezeichnet, was sich als zentraler Moment in ihrer Karriere herausstellte.

„Für mich bedeutete das Stipendium enormem Druck, war aber auch sehr lehrreich“, sagt sie. „Es war der Auslöser, der den Grundstein für meine Karriere legte. Jede Geschichte, die ich heute produziere, basiert auf den Schritten und Initiativen, die ich damals unternommen habe. Ich habe gelernt, wie man eine Geschichte aufbaut.“

„Dieses Stipendium wird für mich immer etwas Besonderes sein. Es hat mich vorangebracht und mich zum Weitermachen motiviert. Es gab mir das Selbstvertrauen, um die Fotografin zu werden, die ich heute bin.“

Axelle de Russé, Empfängerin des Canon Female Photojournalist Grant 2007. Fotografiert von Leila Minano.

Axelle de Russé (2007)

Axelle de Russé ist eine freiberufliche Fotojournalistin aus Frankreich. 2014 untersuchte sie den Alltag von Opfern sexueller Gewalt in der französischen Armee. Seit 2016 dokumentiert sie die Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis.

Die bisherigen Empfängerinnen ...

2023 Anastasia Taylor-Lind

2022 Natalya Saprunova

2021 Acacia Johnson

2020 Sabiha Çimen

2019 Anush Babajanyan

2018 Laura Morton

2017 Catalina Martin-Chico

2016 Darcy Padilla

2015 Anastasia Rudenko

2014 Viviane Dalles

2013 Mary F. Calvert

2012 Sarah Caron

2011 Ilvy Njiokiktjien

2010 Martina Bacigalupo

2009 Justyna Mielnikiewicz

2008 Brenda Ann Kenneally

2007 Axelle de Russé

2006 Véronique de Viguerie

2005 Claudia Guadarrama

2004 Kristen Ashburn

2003 Ami Vitale

2002 Sophia Evans

2001 Magali Delporte

Natalie Denton

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