Es gibt inzwischen so viele verschiedene Foto-Genres, die sich überlappen – von Hochzeitsfotografen, die im Dokumentarstil arbeiten, bis hin zu Fotojournalismus, der in Galerien ausgestellt wird. Wie also kann man Fine Art-Fotografie heutzutage definieren?
„Es ist die Vision eines Künstlers, die in Fotos verwandelt wird. Es steckt eine Idee dahinter,“ sagt die ägyptische Kunstfotografin und Canon-Botschafterin Menna Hossam.
Giles Huxley-Parlour, Londoner Galerist und Vertreter für Künstler wie Alec Soth, Joel Sternfeld und Martin Parr, stimmt zu: „Ein Projekt oder ein konzeptbasierter Prozess aus dem eine Art künstlerische Bedeutung hervorgeht anstatt nur die Welt zu dokumentieren.“
Egal ob deine Wurzeln in der Kunstfotografie liegen oder du als professioneller Fotograf in die Kunstwelt hinüberwechseln möchtest, es gibt ein paar Dinge, die du wissen solltest. Hossam und Huxley-Parlour erklären, wie man seinen Ruf und seine Karriere als Kunstfotograf aufbaut.
Fine Art-Fotografie: wie du deinen Stil findest und eine Fangemeinde aufbaust
1. Erwarte nicht, „entdeckt“ zu werden
Es ist zwar nicht unmöglich, aber laut Huxley-Parlour sollte man nicht darauf hoffen, dass man von einer anerkannten gewerblichen Galerie durch Zufall entdeckt wird. „Eine Galerie entscheidet, wann das Interesse an einem bestimmten Fotografen so groß ist, dass es sich lohnt, ihn anzusprechen und zu fragen, ob er eine Ausstellung machen kann,“ sagt er. „Es passiert eigentlich nie – oder nur sehr selten –, wenn jemand sein Portfolio an uns sendet. Ich habe noch nie Bilder von einem Fotografen ausgestellt, der mich kontaktiert hat. Bis jetzt habe ich nur Bilder von Fotografen genommen, die ich selbst ausgesucht habe, da sie einen gewissen Ruf hatten.“
Hossam fotografiert bereits seit einem Jahrzehnt in ihrem von Märchen inspirierten Kunststil. Jedoch hat sie erst vor ein paar Jahren ihren Vollzeitjob als Art Director und Fotografin bei einer Werbeagentur aufgegeben, um sich ihren eigenen Projekten zu widmen. „Ich war schon immer Fotografin, 2018 machte ich mich dann selbstständig“, sagt sie. „Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und den Schritt gewagt. Ich habe glücklicherweise viele Kontakte, und dank genügend Mundpropaganda wussten die Leute Bescheid, dass ich ab sofort freiberuflich arbeitete. So kam das Ganze ins Rollen.“
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2. Lass dich nicht entmutigen und gib nicht auf
„Ein gefragter Fotograf in einer erstklassigen Fotogalerie zu werden, ist ein langwieriger Prozess,“ warnt Huxley-Parlour. „Ab einem bestimmten Preis kauft niemand deine Arbeit, nur weil ihnen der Druck gefällt. Sie kaufen den Künstler.“
Um es anders zu formulieren: Die Galerien kaufen eine Marke, etwas, das teilweise über Jahre hinweg aufgebaut werden muss. Dabei geht es um Jahre mit Buchveröffentlichungen und Ausstellungen, sowie darum, sich die Anerkennung der Kritiker und Fotografie-Community zu erarbeiten. Also wenn ein Sammler deine Drucke in einer Galerie sieht, gefallen ihm nicht nur die einzelnen Bilder, sondern alles, wofür du stehst. Huxley-Parlours erster Rat ist, den Verkauf deiner Bilder vorerst völlig zu ignorieren und erstmal als guter Fotograf und guter Künstler wahrgenommen zu werden.
3. Entwickle deine einzigartige künstlerische Vision weiter
Auf dieser Welt gibt es mehr als genug Möchtegern-Kunstfotografen. Wie hebt man sich also von der Masse ab? „Du musst gut sein,“ sagt Huxley-Parlour, ohne zu zögern. Dafür braucht man mehr als nur reines Talent. „Du musst viel arbeiten, Selbstkritik üben und dir Rat holen. Versuche, einen Mentor zu finden, zum Beispiel indem du als Foto-Assistent für einen berühmten Fotografen arbeitest. Sorge dafür, dass sich viele Menschen deine Arbeit ansehen, und hole dir möglichst viel Feedback.“
Hossam hat einige Zeit experimentiert, bis sie ihren Stil gefunden hat. Ihr Stil unterschied sich deutlich von dem, was viele andere Fotografen in Ägypten zu der Zeit machten. „Am Anfang habe ich mich wirklich schwer getan,“ gesteht sie. „Ich wusste nicht, welche Richtung ich einschlagen sollte, und wollte so viele Dinge ausprobieren. Künstler werden definiert über die Farben, die Komposition und die Geschichten, die sie erzählen. Man braucht also eine gewisse Identität.“
4. Sorge dafür, dass deine Arbeit gesehen wird
Sobald du Fotos kreierst, auf die du stolz sein kannst, „versuche, so oft wie möglich an Ausstellungen teilzunehmen“, rät Huxley-Parlour. Halte Ausschau nach offenen Ausschreibungen für Festivals oder Gruppenausstellungen, oder verbünde dich mit anderen Fotografen, um eigene Shows auf die Beine zu stellen und an so vielen Wettbewerben wie möglich teilzunehmen. Wettbewerbe werden oft von Galeristen, Kuratoren, Kritikern und anderen einflussreichen Personen in der Welt der Kunstfotografie bewertet. Man muss also nicht unbedingt den ersten Platz belegen, um aufzufallen oder im Gedächtnis zu bleiben.
Eine starke Online-Präsenz durch eine eigene Website oder die sozialen Netzwerke ist ebenfalls essenziell. Für Hossam ist Instagram ein hilfreiches Werkzeug; ihre Bilder werden dort mit der ganzen Welt geteilt und von Hunderten Followern gelikt. „An diesem Punkt in deiner Karriere müssen die Kollegen hinter dir stehen, deine Arbeit teilen und dich unterstützen,“ sagt Huxley-Parlour. „Teil einer Online-Community zu sein, ist genau so wichtig, wie Teil einer ‚echten‘ Community zu sein.“
5. Such dir eine gut bezahlte Nebenbeschäftigung
Seit ihrem Start als Freiberuflerin 2018 fotografiert Hossam nebenbei für Modemarken, wodurch sie sich ein gut bezahltes, zweites Standbein aufgebaut hat. „Ich dachte mir: ‚Welcher Stil kommt der Kunstfotografie am nächsten?‘. Die naheliegende Antwort: Modefotografie,“ sagt sie. „Ich habe damit begonnen, Kunst und Mode zu vermischen. Die Kunden kommen auf mich zu, weil ich meinen eigenen Stil habe. Ich bin keine zu 100 % kommerzielle Fotografin. Ich entwickle künstlerische Bilder, die die Produkte der Kunden in einem anderen Licht darstellen.“
„Du solltest zuerst dafür sorgen, dass du finanziell abgesichert bist,“ sagt Huxley-Parlour. „Werde Hochzeitsfotograf oder etwas anderes, um mit deiner Kamera Geld zu verdienen. Das gibt dir die Freiheit und die Zeit, ohne Druck an deinen eigenen Projekten zu arbeiten. Fast alle erstklassigen Fotografen arbeiten nebenher an kommerziellen Projekten, von denen niemand weiß,“ so Huxley-Parlour. „Und wir sprechen hier von Leuten, die Hunderttausende Drucke verkaufen.“
6. Verlange keine horrenden Preise
Wenn du also die Preise für die Ausstellungen am Beginn deiner Karriere oder für Absolventenausstellungen festlegen musst, sei nicht gierig,“ sagt Huxley-Parlour. „Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich sehe, dass junge Fotografen denselben Preis verlangen wie Fotografen, die seit 40 Jahren Mitglied bei Magnum Photos sind und 50 Bücher veröffentlicht haben. Du musst dich erst beweisen. Nicht hohe Preise, sondern deine Intentionen bringen dich weiter. Die Menschen sollen deine Bilder kaufen, über sie sprechen und die Werbetrommel rühren. Das wird nicht passieren, wenn du pro Bild 5.000 € verlangst und kein einziges davon verkaufst. Sobald du an Ausstellungen in Galerien teilnimmst, wirst du preislich mit den anderen Fotografen deiner Karrierestufe verglichen. Die Fotografen, zu denen du ihrer Meinung nach passt. Das ist eine ganz subtile Sache und kommt auf die Art deiner Arbeit an,“ sagt Huxley-Parlour.
So werden Sie von einer Galerie repräsentiert
7. Verhalte dich von Anfang an professionell
Du kannst vielleicht noch keine vierstelligen Beträge verlangen, solltest deiner Arbeit aber trotzdem mit dem Respekt begegnen, die sie verdient. Hossam bereut, nicht schon zu Beginn ihrer Karriere hochwertige Drucker wie die Profi-Drucker PIXMA und imagePROGRAF von Canon benutzt zu haben. „Die Druckqualität ist von hoher Bedeutung,“ sagt sie. „Meine Bilder sind lebendig und leuchtend. Wenn der Druck also stumpf aussieht, bringt mir das nichts.“
Huxley-Parlour empfiehlt, die Bilder in kleinen Auflagen zu drucken – weniger als 10 Stück. „Du könntest verschiedene Größen drucken und die größeren Formate in kleiner Auflage drucken, wobei ich denke, dass das sehr altmodisch ist. Stattdessen kannst du es ganz einfach halten. Drucke das Bild in der Größe, die du für richtig hältst, und lege einen Preis fest. Ich würde auch eine Tabelle anlegen, sodass du weißt, welche Bilder du an wen verkauft hast.“
8. Baue ein Netzwerk auf
„Was mir immer wieder auffällt ist, dass alle erfolgreichen Künstler und Fotografen Geschäftsleute sind,“ sagt Huxley-Parlour. „Sie mögen die besten Kunstfotografen der Welt sein, aber ihren Ruf haben sie sich hart erarbeitet. Sie haben sich ein großes Netzwerk aufgebaut und sind so die Karriereleiter nach oben gestiegen. Man muss sich in den richtigen Kreisen bewegen und mit den Leuten sprechen, die einem helfen können. Finde jemanden, der bereits in der Szene bekannt ist, und lade die Person auf einen Kaffee ein, lass dich beraten, und verschaffe dir so Zugang.“
Hossams Netzwerk spielt bei ihrer Arbeit eine große Rolle. Die Teams, mit denen sie an ihren Kunstprojekten arbeitet, sind alles Kontakte aus der Modewelt – Modedesigner, Stylisten, Visagisten, Set Designer, Models – die ihre Vision teilen. „Wir arbeiten zusammen, um Kunstwerke zu erschaffen,“ sagt sie.
9. Unterhalte eine gute Beziehung mit deiner Galerie
Sobald man in einer kommerziellen Galerie ausgestellt wird, muss man sich „so professionell wie möglich verhalten,“ so Huxley-Parlour. „Am besten kann man mit den Künstlern zusammenarbeiten, die gleichzeitig Geschäftsleute sind. Sei enthusiastisch, bringe eigene Ideen ein, und mach dich in der Galerie bemerkbar, ob vor Ort mit einer Vernissage oder indem du per Telefon oder E-Mail in Kontakt bleibst. Natürlich sollte man nicht nerven, indem man sich jeden Tag meldet. Aber Künstler, die sich regelmäßig bei der Galerie melden und sich – im positivsten Sinne – der Galerie aufdrängen, werden öfter für Ausstellungen ausgewählt.“